Aufbewahrungspflicht für Schlüssel Waffenschrankschlüssel?

Einer aktuellen Entscheidung des OVG Münster (Urt. vom 30.8.2023 – 20 A 2384/20 –, juris) war vorausgegangen, dass bei einem Jäger während einer urlaubsbedingten Abwesenheit eingebrochen wurde. „Die Täter entwendeten aus dem Waffenschrank Kurzwaffen und Munition. Der Schrank blieb beim Einbruch unversehrt. Die Schlüssel für den Waffenschrank bewahrte der Jäger in einem etwa 40 kg schweren, dick- und doppelwandigen Stahltresor mit Zahlenschoss auf. Der Stahltresor entsprach aber – anders als der Waffenschrank – nicht dem gesetzlichen Sicherheitsstandard für die Aufbewahrung von Waffen.“
Ein Schloss innerhalb eines Schlosses
© Marharyty / Getty Images

20. November 2023

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Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffenschlüsseln

In den Entscheidungsgründen heißt es, dass die Schlüssel zum Waffenschrank durch „Mitsichführen, Verschluss oder andere Maßnahmen“ hinreichend verlässlich den Zugriff Dritter ausschließen müssen. „Diesen Anforderungen ist nach den gesetzlichen Regelungen jedenfalls genügt, wenn und solange der Waffen- und/oder Munitionsbesitzer die tatsächliche Gewalt über den Schlüssel zum Waffen- bzw. Munitionsbehältnis ausübt“, er diesen also bspw. in der Hosentasche mitführt oder an einer Kette um den Hals am Körper trägt. Sobald er die tatsächliche Gewalt über den Schlüssen jedoch aufgibt (z. B. beim Schlafen) und diesen verwahrt, bedürfe es nach Ansicht des OVG Münster auch für den Schlüssel entsprechender Sicherungsmaßnahmen. „Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist es nicht ausgeschlossen, Waffen und/oder Munition in einem den vorgeschriebenen Sicherheitsstandards genügenden Behältnis aufzubewahren, das mit einem Schlüssel verschlossen wird. In diesem Fall ist der Schlüssel zu diesem Behältnis aber in einem Behältnis aufzubewahren, das seinerseits den gesetzlichen Sicherheitsstandards an die Aufbewahrung der in Rede stehenden erlaubnispflichtigen Waffen und Munition entspricht. Andernfalls liefen die gesetzlich vorgeschriebenen Standards für Behältnisse zur Aufbewahrung von Waffen und Munition ins Leere. Der gegenüber dem Zugriff auf den gesetzlichen Anforderungen entsprechend verwahrte Waffen und Munition erleichterte Zugriff auf Schlüssel zu deren Behältnissen führt dazu, dass das gesamte Sicherheitsniveau der Verwahrung auf dasjenige sinkt, auf dem die Schlüssel (als ‚schwächstes Glied der Kette‘) verwahrt werden.“

Unsicherheiten trotz waffenrechtlicher Erlaubnis

Zwar befand das Gericht, dass der Jäger seine waffenrechtliche Erlaubnis in diesem Fall behalten dürfe, weil „er es nicht besser wissen“ habe können, schließlich „gebe es bislang weder konkretere gesetzliche Vorgaben, wie der Schlüssel aufzubewahren ist, noch verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, an der sich Waffenbesitzer orientieren könnten und müssten“, weshalb sich einem juristischen Laien nicht aufdrängen müsse, „dass auch für die Aufbewahrung der Waffenschrankschlüssel ein besonderer Sicherheitsstandard gilt“. Außerdem habe der Jäger immerhin den Zugriff auf den Schlüssel durch Aufbewahrung in einem nicht klassifizierten Stahlbehältnis erschwert, weshalb ihm nicht schon ein „schwerwiegend fahrlässiges Verhalten“ vorgeworfen werden könne. Gleichwohl sorgt die Entscheidung für große Verunsicherung und erheblichen Diskussionsbedarf in jagd- und waffenrechtlichen Fachkreisen. Sollte sich die Auffassung durchsetzen, wird man kurz- bis mittelfristig nicht mehr zur eigenen Entlastung vortragen können, man habe die Entwicklung in der Rechtsprechung nicht mitbekommen. Vor diesem Hintergrund gilt es, die Entscheidung genauer zu beleuchten, für die sich das OVG Münster zugleich in einer Pressemitteilung (becklink 2028206) rühmt, als „erstes Verwaltungsgericht überhaupt“ diese Rechtsauffassung zu vertreten.

Verschiedene Auffassungen zur Aufbewahrung von Waffenschrankschlüsseln

Als Legalwaffenbesitzer gilt es, die waffenrechtlichen Aufbewahrungsbestimmungen (§ 36 WaffG, §§ 13 f. AWaffV) ausnahmslos einzuhalten. Eine nicht sorgfältige Verwahrung führt zwangsläufig zur Annahme der jagd- und waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit (§ 17 Abs. 3 Nr. 2 BJagdG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG; s. bspw. auch DJV, Waffenaufbewahrung, zu finden unter https://tinyurl.com/46bw8bht, zuletzt aufgerufen am 2.10.2023). „Eine Verwahrung ist nur dann sorgfältig, wenn die zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten sämtlich ausgenutzt werden, die Waffe so zu verwahren, dass ein Zugriff Unberechtigter nach Möglichkeit verhindert wird“ (statt vieler VG Mainz, Beschl. vom 22.1.2019 – 1 L 1194/18.MZ –, BeckRS 2019, 10068 m. w. N.). Nicht ausreichend ist denklogisch bspw. die Aufbewahrung des Schlüssels an einem leicht auffindbaren oder gar Unberechtigten (z. B. Familienmitglieder) bekannten Ort, wie bspw. „an einer Schraube unter dem Waschbecken in der Gästetoilette“ (VGH München, Beschl. vom 25.5.2021 – 24 ZB 21.943, 24 ZB 21.946, 24 ZB 21.947 –, BeckRS 2021, 16399) oder das Anbringen an einem im häuslichen Arbeitszimmer offen herumliegenden und damit allgemein zugänglichen Schlüsselbund (VG Bayreuth, Urt. vom 30.10.2015 – B 1 K 15.345 –, BeckRS 2016, 50370; s. hierzu insg. Göbel, in Meixner (Hrsg.), Das Jagdrecht in Hessen, Rn. 60 zu § 17 BJagdG, erscheint vss. Anfang 2024).

Kritik an der Entscheidung des OVG Münster

Dabei rechtfertigt nach bisheriger Auffassung des VG Köln die Aufbewahrung von Schlüsseln zum Waffenschrank in einer unklassifizierten, aber stabilen Geldkassette, die nur mit Gewalt und Werkzeug geöffnet werden kann, nicht die Annahme der Unzuverlässigkeit, da eine gesetzliche Verpflichtung, Tresorschlüssel in einem den Aufbewahrungsbestimmungen für Waffen entsprechenden Behältnis aufzubewahren, nicht existiert (Urt. vom 21.2.2019 – 20 K 8077/17 –, BeckRS 2019, 10182; da das OVG Münster dem VG Köln in zweiter Instanz folgt, ist fraglich, ob das VG Köln seine überzeugende Rechtsauffassung beibehält). Das VG Bayreuth ist im Ergebnis derselben Ansicht und meint, dass der Gesetzgeber nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes gerade nicht fordere, „dass ein Waffenschrank durch ein Schloss mit Zahlenkombination verschlossen wird oder dass der Schlüssel seinerseits in einem Schlüsselsafe mit Zahlenkombination oder auch z. B. in einem Bankschließfach aufbewahrt wird. Damit hat wohl auch der Gesetzgeber eine gewisse Sicherheitslücke akzeptiert, da es in der Praxis nach aller Lebenserfahrung wohl unmöglich sein dürfte, eine absolute, lückenlose Kontrolle über den Schlüssel sicherzustellen“ (Urt. vom 30.10.2015 – B 1 K 15.345 –, BeckRS 2016, 50370).

Notwendigkeit höherer Standards bei der Waffenaufbewahrung

„Soweit das OVG Münster als bislang einziges Verwaltungsgericht stattdessen meint, für die Aufbewahrung von Waffenschrankschlüsseln gelten die gleichen Sicherheitsstandards wie für Waffen und Munition, vermag dies nicht zu überzeugen“ (Göbel, in Meixner (Hrsg.), Das Jagdrecht in Hessen, Rn. 59 ff. zu § 17 BJagdG, erscheint vss. Anfang 2024). Die Entscheidung des OVG Münster führt zu der paradoxen Folgefrage, „wie der Schlüssel zu dem Tresor aufzubewahren wäre, in dem sich der Schlüssel des ersten Waffenschranks befindet“. Die Ansicht der nordrhein-westfälischen Kollegen rein hypothetisch als verbindlich unterstellt „müsste damit am Ende der ,Aufbewahrungskette‘ stets ein entsprechend klassifiziertes Behältnis mit Zahlenschloss oder biometrischer Schließvorrichtung stehen“. Dies liefe jedoch dem gesetzgeberischen Willen entgegen, wonach Waffenschränke mit Schlüsselschlössern ausdrücklich zugelassen sind. Rein praktisch gesehen, wären damit zugleich zahlreiche dem Bestandsschutz unterfallende Altschränke (bis 6.7.2017) nicht mehr ohne Weiteres nutzbar, denn bspw. für A-Langwaffenschränke mit innenliegendem B-Kurzwaffenfach ist i. d. R. nur die äußere Tür mit einem Zahlenschloss ausgestattet oder nachrüstbar, während das innenliegende Fach mit einem Doppelbartschlüssel verschlossen wird. Da die Sicherheitsstufe B höherwertig ist, wäre, dem OVG Münster hypothetisch folgend, mithin auch die Aufbewahrung des Kurzwaffenschrankschlüssels im mit Zahlenschloss gesicherten Außenschrank nicht mehr zulässig; ein Ergebnis, das vom Gesetzgeber im Rahmen der besitzstandswahrenden Bestimmungen so nicht vorgesehen war. Da für Neuanschaffungen der Bestandsschutz nicht greift, wäre im Ergebnis jeder Legalwaffenbesitzer verpflichtet, mindestens einen Tresor der Klassifizierung 0 oder 1 mit Zahlenschloss oder biometrischer Schließvorrichtung zu erwerben, um zumindest den Waffenschrankschlüssel darin aufzubewahren. Hätte der Gesetzgeber ein solches Ergebnis gewollt, hätte er es gesetzlich normieren müssen (hierzu insg. Göbel, in Meixner (Hrsg.), Das Jagdrecht in Hessen, Rn. 59 ff. zu § 17 BJagdG, erscheint vss. Anfang 2024).

Vor dem Hintergrund der denkbaren jagd- und waffenrechtlichen Konsequenzen gilt es, die Entwicklung in der Rechtsprechung kritisch weiter zu verfolgen und bei der Aufbewahrung von Waffen und Munition im eigenen Interesse höhere Standards anzulegen, als vom Gesetzgeber gefordert. Eine Aufbewahrung, die das gesetzliche Mindestmaß übertrifft, ist allemal besser, als ein langwieriger und kostenintensiver Verwaltungsrechtsstreit mit potentiellem Prozessrisiko. Gleichwohl sind die Verbände gefordert, sich im Interesse der Legalwaffenbesitzer für eine Klarstellung einzusetzen.

Über den Autor/in

Patrice Göbel

Patrice Göbel

Patrice Leon Göbel ist Richter am Verwaltungsgericht. Im Nebenamt ist er als Lehrbeauftragter u. a. für das Fach Waffenrecht an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS) sowie als Fachprüfer bei Jägerprüfungen im Fach Jagdrecht eingesetzt. Außerdem kommentiert er ab der 39. Ergänzungslieferung in Meixner (Hrsg.), Das Jagdrecht in Hessen, die §§ 15 bis 18a BJagdG (einschl. §§ 5, 6, 13 und 45 WaffG), §§ 19 bis 20 BJagdG, §§ 15 bis 17 HJagdG und §§ 23 bis 25 HJagdG (erscheint vss. Anfang 2024). Seit 2012 ist er Inhaber eines Jahresjagdscheins. Der Beitrag gibt die persönliche und unverbindliche Auffassung des Autors wieder. Sie erreichen unseren Autor unter: