Sind die Innenstädte noch zu retten?

Torpediert die Corona-Pandemie das Innenstadtsterben? Sind sie noch zu retten unsere Flaniermeilen?
Blick in Soester Einkaufsstraße
© ArTo Adobe Stock

Wer hätte Anfang des Jahres gedacht, welche Einschnitte 2020 in nahezu allen Bereichen unseres Alltags mit sich bringen würde? Im privaten sowie im öffentlichen Leben schränkt uns die Corona-Pandemie massiv ein – und es scheint kein Ende in Sicht. Die Folgen werden uns noch in den nächsten Jahren – selbst bei Vorhandensein eines wirksamen Impfstoffes – in vielerlei Hinsicht beeinträchtigen. Sei es gesundheitlich, sozial oder auch finanziell. Viele Branchen leiden unter Lockdown & Co. Der stationäre Einzelhandel ist neben der Gastronomie und den kulturellen Einrichtungen dabei aus wirtschaftlicher Sicht mit am stärksten betroffen. 

Der zunehmende Leerstand von Ladenlokalen, die bedauerlichen „Wir schließen“-Schilder in zahlreichen Schaufenstern der Fußgängerzonen und das daraus resultierende langsame Aussterben der Innenstädte ist jedoch nicht allein auf die Pandemie sowie die damit verbundenen Maßnahmen und Beschlüsse der Bundesregierung zurückzuführen. Denn schon vor Corona haben sowohl der Onlinehandel als auch die großen Shoppingcenter in Gewerbegebieten beziehungsweise „auf der grünen Wiese“ dem früher meist lebhaften Treiben in den Innenstädten zu schaffen gemacht. Das Coronavirus wirkt allerdings wie ein Brandbeschleuniger, wenn man das so nennen mag. 

Zwar gibt es trotz oder gerade wegen Corona einige Geschäftszweige, die im Laufe dieses Jahres ihren Umsatz sogar steigern konnten. Dazu gehören vermutlich u. a. Baumärkte, Dekorationsläden, Gartencenter, Fahrradgeschäfte, Möbelhäuser – und das aus naheliegenden Gründen. Doch im Großen und Ganzen geht es dem stationären Einzelhandel schlecht, 2020 mehr denn je. Zahlreiche Städte beklagen etwa, dass – im Prinzip unabhängig von einem Lockdown – die täglichen Pendler durch ihre Tätigkeit im Homeoffice sowie die kaufkräftigen (Tages-)Touristen fehlen. Die Umsatzeinbußen sind schließlich auch dadurch begründet, dass die Menschen derzeit grundsätzlich überwiegend zu Hause bleiben. Das gesamte gesellschaftliche Leben ist eingeschränkt, wodurch ein trostloser und verwaister Eindruck in manchen Straßen und Innenstädten entsteht. 

Ausgerechnet das für viele Einzelhändler so wichtige Weihnachtsgeschäft als umsatzstärkste Zeit des Jahres ist durch den Teil-Lockdown im November verdorben. Viele Branchen machen sonst in den beiden letzten Monaten mehr als ein Fünftel ihres Jahresumsatzes. Laut einer aktuellen Trendumfrage des Handelsverbandes Deutschland (HDE) unter mehr als 500 Handelsunternehmen in der ersten Novemberwoche, haben die befragten Innenstadthändler im Durchschnitt aber schon zu diesem Zeitpunkt bereits Umsatzausfälle von mehr als einem Drittel zu verzeichnen. Bei den Kundenzahlen sehen die Unternehmen im Durchschnitt einen Rückgang von mehr als 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Am schlimmsten trifft es dabei die Bekleidungs- und die Schuhhändler. „Der Handel in den Innenstädten darf zwar öffnen, gleichzeitig appelliert die Politik aber an die Kunden, zu Hause zu bleiben. In der Folge können die Geschäfte mit Blick auf extrem sinkende Kundenfrequenzen vielerorts wirtschaftlich nicht mehr überleben“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Knapp 60 Prozent der befragten Händler sehen sich laut der Umfrage derzeit in Existenznöten. Sie seien in einer unverschuldeten Notlage und deshalb auf staatliche Hilfe angewiesen. Die Bundesregierung müsse deshalb rasch für entsprechende Hilfen sorgen, die auch bei den betroffenen Innenstadthändlern ankommen. 

www.einzelhandel.de 

Schaufenster von Ladengeschäft mit Schild „Wir liefern nach H

Die Problematik ist der Politik bewusst und so lud Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bereits Mitte Oktober Vertreterinnen und Vertreter aus Unternehmen, Kommunen und Verbänden zum Runden Tisch, um kreative Lösungen zum Thema „Ladensterben verhindern – Innenstädte beleben“ zu entwickeln. Einige der Ideen: mehr Geld für Digitalisierung, flexiblere Öffnungszeiten auch an Sonntagen, mehr Regionales sowie breitere Kultur- und Freizeitangebote in den Fußgängerzonen. Anfang November wurde zudem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eine außerordentliche Wirtschaftshilfe als weitere zentrale Unterstützung für Unternehmen, Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen, die von den aktuellen Corona-Einschränkungen besonders betroffen sind, festgelegt. Diese und weitere Überbrückungshilfen können unter 

www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de beantragt werden.

Stationärer Einzelhandel in der Krise

Staatliche Nothilfeprogramme sowie auch Mietpreissenkungen für die Ladenlokale sind sicherlich wünschenswerte Optionen. Wer sich aber nicht allein auf die Politik verlassen will, der wird selbst aktiv. Denn jammern hilft nicht weiter und Not macht bekanntlich erfinderisch – und so sind innovative (Geschäfts-)Ideen der Einzelhändler gefragt! Wie lassen sich also die Einkaufsstraßen gerade in größeren Ortschaften und in den Metropolen wieder stärker beleben? Wie können Innenstädte und Fußgängerzonen ihre Anziehungskraft behalten bzw. neu gewinnen? Das sind die entscheidenden Fragen in diesen Zeiten. Wichtig dabei: Immer flexibel bleiben und sich auf die aktuellen Interessen und Wünsche der Konsumenten einstellen. 

Einzelhändler sollten bestenfalls die Bedürfnisse ihrer Kunden kennen. Daher empfiehlt es sich in jedem Fall, dass selbst der rein stationäre Handel in irgendeiner Weise online aktiv wird. Das heißt, auch wer bisher keinen Onlineshop eingerichtet hat, in dem er seine Waren anbietet, kann dennoch das Internet für seine Verkaufsstrategien nutzen. So lässt sich u. a. auf der eigenen Homepage ein virtueller Rundgang durch das Geschäft hochladen, der Kunden die Möglichkeit bietet, sich in Ruhe von zu Hause aus dort umzuschauen. Ein Lieferservice ist – ergänzend dazu – eine wunderbare Serviceleistung, die so manche Einzelhändler bereits während des ersten Lockdowns im Frühjahr eingerichtet hatten. Auch besondere Aktionen, die derzeit natürlich stets Corona-konform sein müssen, können dem stationären Handel helfen und für mehr Frequenz in den Fußgängerzonen sorgen. Gerade jetzt, in der Adventszeit, während der unter „normalen Bedingungen“ die Innenstädte aus allen Nähten platzen würden, bietet es sich an, hierfür Alternativen zu schaffen: Da die meisten Weihnachtsmärkte – eigentlich wahre Kundenmagneten im Weihnachtsgeschäft – nicht stattfinden, könnte man eventuell einzelne Highlights schaffen und auf diese Weise vielleicht sogar Kleinkünstlern und Musikern eine Chance geben, ihr Können stimmungsvoll darzubieten. 

Es gilt schließlich, sowohl momentan als auch langfristig, die Aufenthaltsqualität in den Innenstädten zu steigern, Erlebnisräume mit Kultur und Gastronomie zu schaffen – sobald dies wieder in entsprechendem Umfang möglich ist. Auch mehr Wohnraum in den Innenstädten und mehr Hotellerie gehört laut Experten künftig offensichtlich dazu, dem Leerstand der Gebäude entgegenzuwirken und die Attraktivität der Citys wiederherzustellen. 

Fazit

Corona beschleunigt lediglich Trends – und in diesem Fall den strukturellen Wandel in den Innenstädten, der absehbar war und früher oder später sowieso eingetreten wäre. Somit könnte man die Pandemie in gewisser Weise auch als Chance sehen, etwas Neues zu wagen. Mutig zu sein, neue Konzepte zu entwickeln und innovative Ideen zu realisieren. Vielleicht sogar gemeinsam mit dem Nachbargeschäft.

Über den Autor/in

Miriam von Chamier

Miriam von Chamier

Miriam von Chamier lebt als freie Redakteurin in der Nähe von Köln. Einer der Schwerpunkte ihres Schreibens liegt im Bereich Marketing und B2B. Darüber hinaus ist sie immer auf der Suche nach aktuellen und interessanten Themen, die es lohnen, darüber zu berichten.