Von Verschärfungen für Schreckschusswaffenbesitzer bis zum Verbot bestimmter Halbautomaten war etliches dabei, was zahlreiche Menschen und Institutionen umgehend wütend machte. Und ihre Wut ist verständlich. Denn es geht hier nicht nur um ein sicherheitspolitisches Nischenthema oder eine ganz spezielle, geradezu exotisch anmutende Debatte, die die Öffentlichkeit gern mit Nichtargumenten wie „Kein Sportschütze braucht ein Sturmgewehr!“ oder „So etwas gehört nicht in die Hände von Zivilisten!“ garniert und danach wieder zum Alltag übergeht, die Probleme und Herausforderungen der Betroffenen weitestgehend ignorierend oder gar verächtlichmachend. Es steht hier, wenn man den Blick weitet, viel mehr auf dem Spiel als das „Ballern“ einiger „Waffennarren“. Spätestens seit dem Amoklauf von Erfurt im Jahre 2002 haben Waffenrechtsdebatten auf Bundesebene viel an Vernunft und Fairness eingebüßt. Es geht vielen Politikerinnen und Politikern anscheinend vorrangig nicht (mehr) um Sicherheit und Risikomanagement, sondern um medienwirksames Draufhauen, mit dem man sich profilieren kann. Man hat ein Feld gefunden, wo das – aus Sicht der Akteure – relativ schadlos funktioniert. Denn den sich in der öffentlichen Wahrnehmung manifestierenden Ruf als „Sheriff“ kann man stets einplanen, wenn man für „mehr Sicherheit“, „Verschärfungen des Waffenrechts“ und Verbote ist. Und das ist politisch nicht wertlos, ganz im Gegenteil: Menschen müssen beim Blick auf den Stimmzettel einen Namen mit einem Profil oder mindestens einem Schlüsselwort verbinden können. Und mit krawalligen Forderungen und Maßnahmen bringt man sich auch in Zeiten harter Aufmerksamkeitsökonomie gut ins Gespräch. Polarisierungen helfen da ganz besonders. Das schadet sowohl den Betroffenen als auch der Sicherheit im Lande? Egal! Der (aufmerksamkeitsökonomisch wertvolle) Spatz in der Hand erscheint wichtiger als die (demokratietheoretisch wertvollere) Taube auf dem Dach. Und die anderen machen es ja genauso! Also: immer feste druff!
Dabei wird jedoch vergessen: Durch die permanenten Abwehrzwänge im Milieu der legal Waffen besitzenden Menschen in Deutschland entsteht dort nicht nur punktuell der Eindruck, Demokratie und Partizipation bestünden nur noch aus (unvermeidbarem) Abwehrverhalten. Dies ist langfristig, so meine Sorge, problematisch und zudem verhinderbar, denn das Waffenrecht bietet die seltene Chance, auch in abstrakter Hinsicht Demokratie zu stärken – durch kluge, vernunftorientierte, effektive Maßnahmen. Wer sich dauerhaft unter Druck gesetzt und dauerverdächtigt fühlt, dürfte früher oder später mit Demokratiemüdigkeit antworten. Das muss im Sinne einer bürgerschaftlichen Unterstützung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verhindert bzw. mindestens verringert werden.
Des Weiteren halte ich die in der Bevölkerung offenbar weit verbreitete Ansicht „Staat > Bürger“ für außerordentlich kritisch. Vielfach werden die gegenwärtigen Aussagen der Befürworter der aus fachlicher Sicht regelmäßig weitgehend völlig abwegigen Waffenrechts-Verschärfungsideen mit Bezügen auf (gefährliche) „Zivilisten“ und (kompetente) „Profis“ unterstützt, was für mich ein Warnzeichen ist: Bei vielen Menschen scheint es eine Rangfolge zu geben, in der der Staat mit seinen Akteuren grundsätzlich immer „besser“ als der einzelne Bürger zu sein scheint. Dies ist nicht nur (in diesem Falle) deliktisch falsch, sondern auch erneut demokratietheoretisch bedenklich. Ich würde es so zusammenfassen: Die Uniform macht nicht den besseren Menschen, sondern der bessere Mensch macht die Uniform. Es wäre sicherlich zu viel gesagt, wenn man hierbei von bedenklicher Untertänigkeit sprechen würde, doch da Demokratien weltweit unter Druck stehen, sollte an dieser Stelle deutlich gegengesteuert werden. Wir alle sind der Staat – und so sollten wir uns auch verhalten, ganz im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Eine gute Bürgerin und ein guter Bürger sollten auch gute Waffenbesitzer, Jäger, Schützen und Sammler sein dürfen. Dabei kann nicht die Rede davon sein, dass der Staat so etwas „aushalten“ können muss – denn Freiheit hat der Staat schlicht und ergreifend zu ermöglichen. Auch und gerade in Bereichen, die unbequem sein mögen.