Arbeitsmarkt: Ist Karriere uncool?

Prof. Dr. Tim Brüggemann ist an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) Prorektor für die Online-University und Professor für Karriereforschung. Er versucht zu ergründen, warum jungen Leuten heute der Job nicht mehr so wichtig ist und wie Unternehmen gute Mitarbeiter halten können.
Smileys in Ampelform auf eine Tafel gemalt. Der grüne Smiley ist abgehakt
© athree23 / Pixabay
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Laut Brüggemann verbinden Jugendliche mit dem Karrierebegriff nicht mehr unbedingt etwas Erstrebenswertes, im Gegenteil: Sie werden davon eher abgeschreckt. Das liegt unter anderem an der gesellschaftlichen Entwicklung, denn die junge Generation hat ganz genau im Kopf, was sie unter ihrem Leben versteht – und was nicht: Sie leben nicht mehr, um zu arbeiten, sondern arbeiten, um zu leben. Die klassischen, linearen Berufsbiografien gibt es laut Brüggemann zwar noch, sind aber deutlich seltener geworden. Heute findet man eher kaleidoskopartige Biografien: Man arbeitet eine Weile in der einen Branche, dann wieder in einer ganz anderen. Und dann schiebt man vielleicht noch mal ein Studium ein. Wenn der Partner beruflich ins Ausland geht, dann geht man mit, macht da aber vielleicht etwas ganz anderes als zu Hause. Und wenn Kinder kommen, dann geht es wieder zurück in die alte Heimat.

 
Porträt Prof. Dr. Tim Grüggemann
Prof. Dr. Tim Brüggemann forscht zum Thema Karriere an der Fachhochschule des Mittelstands.

Mitarbeiter finden – und halten!

Das bedeutet für die Unternehmen: Wenn sie interessante Mitarbeiter finden und halten möchten, muss diesen etwas geboten werden, zum Beispiel Homeoffice oder flexible Arbeitszeiten. Der Mitarbeiter will tagsüber die Wildkamera kontrollieren? Warum nicht, dann arbeitet er eben später weiter. Den Fachkräftemangel und den demografischen Wandel spürt die deutsche Wirtschaft schon seit einigen Jahren. Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen wird es daher immer schwieriger, gute Leute zu finden, denn die werden oft von den großen Konzernen weggefischt, die mehr Zeit und Geld in die Rekrutierung investieren. Damit KMU für Mitarbeiter attraktiv sind, können sie zum Beispiel ein Online-Studium neben dem Job ermöglichen. Davon hat das Unternehmen deutlich mehr, als wenn der Mitarbeiter kündigt, um zu studieren. Möglich sind auch Benefits wie ein kostenloser Zugang zum Fitnessstudio oder eine Behandlung beim Frisör oder Masseur, der regelmäßig in den Betrieb kommt – „Wellbeing-“ oder „Feelgood-Management“ heißt diese Form der Mitarbeiterbindung.

Recruiting über Social Media?

Eins ist klar: Die Unternehmen sollten möglichst früh nach jungen Leuten Ausschau halten, zum Beispiel über Praktika. Vielleicht kommen sie ja nach ihrem Schulabschluss wieder. Die Schulen sind als Ansprechpartner eine gute Adresse, denn das Thema Berufsorientierung ist dort mittlerweile fest etabliert. Ein Unternehmen muss für die Jugendlichen sichtbar sein, auch in den sozialen Medien. Aber Vorsicht: Obwohl so ziemlich alle Schüler auf TikTok oder Instagram unterwegs sind, heißt das nicht, dass man sie darüber auch erreichen kann. Denn die junge Generation hat heute „reservierte Kanäle“ für ihr Leben, sie will nicht das Private und Berufliche oder Schule miteinander vermischen. Aber man kann als Unternehmen schauen, was sie interessant finden und die eigenen Kampagnen darauf abstimmen.

Über den Autor/in

Adina Riesenberg-Lietz

Adina Riesenberg-Lietz

Adina Riesenberg-Lietz lebt am südlichen Hang des Wiehengebirges. Dank einer handwerklichen Ausbildung als Fotografin hat die diplomierte Sportjournalistin fundiertes Know-how im Bereich Optik. Das Grüne Abitur 2006 lenkte das Interesse in die jagdliche Richtung.